Gedanken zur zeitgemäßen Hundezucht

Gedanken zur zeitgemäßen Hundezucht
von Dr. Helga Eichelberg
(fett Hervorgehoben von mir)
(Zuchtordnung und Körordnung des LFK versuchen, sich auf den Weg zu einem
“erhaltungszüchterischen Zuchtkonzept” zu machen. Über Kriterien für eine Zuchtwertschätzung
und damit verbundene Maßnahmen wird zu diskutieren sein.)

Tierzucht ist naturgemäß kein starrer Zustand, sondern ein fortschreitender, sich entwickelnder Prozess mit einer deutlichen Neigung, sich zu verselbständigen oder sogar außer Kontrolle zu geraten, was letztendlich sogar zur Tierschutzrelevanz führen kann. Darüber hinaus kann Tierzucht für die Zuchtprodukte Risiken bergen, denn nach einer größeren Anzahl von Generationen können geradezu naturgemäß Defekte auftreten. Deshalb ist es in jeder Tierzucht dringend angesagt, ab und zu inne zu halten und sich zu fragen, ob heute noch gültig ist, was gestern gut war und wie es zukünftig weitergehen soll.
Eine solche Besinnungsphase fand bezüglich der Hundezucht in den frühen 60er Jahren statt und zwar nicht, weil irgendjemand die Idee hatte, dass nun Inventur nötig sei, sondern weil es kaum noch anders ging. Bis dahin wurden Rassehunde nämlich recht unbesorgt gezüchtet. Das Zuchtziel war im Formwert und im Sportbereich vor allem der Champion, und dieses Ziel ging man mehr oder weniger verbissen an. Kaum jemand hatte sich bis dahin ernsthaft gefragt, ob es mit der Hundezucht wirklich so unbesorgt weitergehen könne. Schließlich war aber nicht mehr zu übersehen, dass in den Rassen immer mehr erbliche Defekte Fuß fassten. Man diskutierte dies zwar noch nicht offen, aber es machte sich doch Besorgnis bemerkbar. Ich erinnere mich noch sehr gut an diese Zeit. Sie war nämlich durchaus nicht lustig, denn ehe man sich’s versah, befand man sich in der Rolle des „Nestbeschmutzers“. Jeder wusste zwar, dass die Defekte zunahmen, aber keiner wollte es hören. In diese Zeit fiel auch der hartnäcki-ge Streit um die Erblichkeit der HD und folgerichtig auch die unerquickliche Diskussion um das obligatorische HD-Röntgen. Kurz und gut, die Hundewelt war zerstritten und verunsichert. Die einen waren sicher, es sei bereits unmittelbar „vor zwölf“ oder sogar schon ein wenig später und die anderen widersetzten sich hartnäckig allen Zuchtstrategien.
Erst nach einigen Jahren interner und auch öffentlich geführter Streitereien beruhigten sich die Gemüter, und es kehrte allmählich ein anderes Klima in der Hundeszene ein. Es setzte sich nämlich die Einsicht durch, dass man die Hundezucht nicht sich selbst überlassen konnte, sondern dass sie gelenkt werden musste. Die Diskussionen wurden daraufhin offener und nahmen an Sachlichkeit zu und Dinge, über die man gerade noch gestritten hatte, wurden zur Selbstverständlichkeit. Krankheiten in den Rassen gab man nicht nur zu, sondern es wurde auch nach Strategien gesucht, um sie zu minimieren.
In dieser Zeit entstand auch ein völlig anderes Verhältnis zwischen Züchtern und Wis-senschaftlern. Betrachteten die Züchter bisher die Wissenschaftler als Gegner und hielten die Wissenschaftler die Züchter für notorisch unbelehrbar, so begriffen nun beide, dass sie aufeinander angewiesen waren und dass der Schlüssel zukünftigen Erfolges nur in einer guten Zusammenarbeit liegen konnte. Und noch etwas anderes nahm deutlich zu, nämlich das Bedürfnis der Hundezüchter und -halter, sachkundig zu werden. Vor dieser Zeit wäre es z.B. geradezu lächerlich gewesen, im VDH eine Fortbildungsakademie ins Leben zu rufen. Langsam entwickelte sich aber ein Bedürfnis, sich sachkundiger zu machen.

Kurz und gut, diese 60er Jahre waren für die Hundezucht ganz entscheidend, und von den Umdenkungsprozessen dieser Zeit leben wir im Grunde noch heute. Aus dem Bedürfnis nach immer mehr Sachkunde resultiert eine bedarfsgerechtere Aufzucht und Haltung der Hunde. Gesunde Hunde züchten zu wollen, sind bei Züchtern und Zuchtvereinen in der Regel keine leeren Worthülsen mehr, man will es wirklich und man hat Erfolg, denn bei kritischer Betrachtung kann man nach meiner Meinung feststellen, dass abgesehen von einigen züchterischen Entgleisungen, die korrigiert werden müssen, zumindest die im VDH gezüchteten Rassehunde gesünder sind denn je. Sie sind sicher auch gesünder als ein Großteil der Mischlinge, die sich leider nicht der prächtigen Gesundheit erfreuen können, die ihnen nachgesagt wird.
Mit dieser Einschätzung der Rassehunde werden mich wahrscheinlich einige Leser für schlecht informiert halten, denn andererseits muss man zugeben, dass noch nie so viele Hundekrankheiten bekannt waren, wie dies momentan der Fall ist. Und es stellt sich nun natürlich die Frage, ob dies ein Widerspruch ist: Einesteils gesündere Hunde, andererseits eine deutliche Zunahme der Krankheiten. Nach meiner Meinung ist es kein Widerspruch, denn wenn man die Situation genauer betrachtet, stellt sich heraus, dass nicht die Krankheiten an sich zugenommen haben, sondern unser Wissen um mögliche Erkrankungen. Die diagnostischen Möglichkeiten werden immer besser und somit erkennen wir immer mehr. Früher war alles viel einfacher: Alle alten Hunde, die nicht mehr gut zu Fuß waren, hatten Rheuma! Heute wissen wir, dass sie HD, ED, Spondylose, Patellaluxation und vieles mehr haben können, und folgerichtig selektieren wir gegen diese Defekte. Früher hatten alle Hunde, die Hautprobleme hatten, Räude. Heute wissen wir, dass es unzählige Hauterkrankungen gibt, die durch Allergien, durch Parasitenbefall oder unglückliche Genkopplungen ausgelöst werden und wir versuchen sie zu minimieren. Und so könnte man mehr oder weniger alle Körperbereiche und Organe unter die Lupe nehmen und käme zu dem Schluss, dass nicht die Krankheiten, sondern unser Wissen um sie zugenommen hat. Dieses „mehr wissen“ gilt übrigens nicht nur für genetisch bedingte Defekte, sondern auch für Erkrankungen, die die Folge einer Überinterpretation des Standards sind. So haben wir früher das Röcheln einiger Brachyzephaler als eine Art Rassemerkmal angesehen. Es gehörte eben dazu. Heute wissen wir, dass die Atemgeräusche kein Ausdruck großer Zufriedenheit sind, sondern dass das betroffene Tier schlicht nach Luft ringt. Auch in diesen Fällen hat unser Wissen, vor allem aber auch unsere Sensibilität, zugenommen. Wir stehen also vor der neuen Situation, dass durch immer mehr Wissen auch immer mehr Probleme sichtbar werden. Diese Tatsache ist bisher ganz gut bewältigt worden. Man muss aber kein Prophet sein, um voraussagen zu können, dass auf Dauer die Selektionsmaßnahmen nicht mit der Zunahme des medizinischen Wissens Schritt halten werden. Mit anderen Worten, wir befinden uns wieder an einem Punkt, an dem wir Inventur machen sollten. Wir sollten wieder innehalten und uns fragen, ob die bisherigen Zuchtstrategien zukünftig noch richtig sein werden oder ob es Anlass zur Korrektur gibt. Zunächst einmal sollten die Zuchtziele überdacht werden. Es ist nach meiner Meinung ein falscher Ansatz, die Hunde auch heute noch immer schöner machen zu wollen. Das ist zum einen nicht nötig, denn unsere Hunde sind schön, und zum anderen ist es gefährlich, denn dieses Streben nach Champion und Sieger hat in der Vergangenheit für viele Rassen zum Unglück geführt. Es wäre dagegen ein zeitgemäßes Zuchtziel, die Rassen mit ihren rassespezifischen phänotypischen und Verhaltensmerkmalen so auszustatten, dass sie eine dauerhafte Chance zum Überleben haben.
Nun mag die Idee einer „Erhaltungszucht“ für den einen oder anderen Züchter als der Gipfel züchterischer Langweiligkeit erscheinen, denn es steht die Frage im Raum, wo unter diesen Umständen die „züchterische Kreativität“ bleibe. Nach meiner Meinung können wir in der Hundezucht auf diese Kreativität gut verzichten, denn sie führt in der Regel für das Zuchtprodukt früher oder später zum Verhängnis. Sehr viele Probleme der Rassehundezucht sind in dieser züchterischen Kreativität begründet. Es gibt nämlich keinen Standard, der den kranken Hund fordert und dennoch gibt es Rassen, die sich eindeutig auf züchterischen Abwegen befinden. Deshalb täte es den Zuchtverantwortlichen, vor allem aber den Hunden, gut, sich wieder mehr an dem Rassestandard als an irgendeinem modischen Schnickschnack zu orientierten. Eine zeitgemäße Hundezucht braucht nicht allein Bekämpfungsmaßnahmen gegen genetische Defekte, sie braucht vor allem ein solides und hundefreundliches Augenmaß bei allen Zuchtmaßnahmen!
Wie aber sollte künftig mit der Vielzahl von Erkrankungen umgegangen werden, deren Anzahl voraussagbar noch zunehmen wird. Die Lösung kann nicht darin bestehen, zukünftig großzügiger oder gar nachlässiger mit auftretenden Defekten zu verfahren. Ganz im Gegenteil, Zuchtstrategien und Selektionsmaßnahmen bleiben nach wie vor wichtigste Bestandteile der Hundezucht. Sie müssen nur künftig gezielter eingesetzt werden. Es sollte nichts der Tradition oder dem Zufall überlassen werden, alle Maßnahmen sollten kritisch hinterfragt und vor allem auch auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. So darf es z.B. künftig nicht mehr möglich sein, dass irgendjemand meint, in einer Rasse einen Defekt entdeckt zu haben und dann geradezu erpresserisch auf einer Selektion besteht. Zukünftig sollte sich kein Verein kopflos und aktionistisch auf fragwürdige Züchtungsabenteuer einlassen. Man kann eine Rasse nämlich auch zu Tode selektieren! Man kann auch noch etwas anderes Sinnloses tun, nämlich Ansprüche an die Zucht stellen, die nicht erfüllbar sind. Hierzu gehört z.B. der Wunsch, den „genetisch gesunden Hund“ züchten zu wollen. Das ist eine Illusion und es ist auch gar nicht notwendig, denn phänotypisch gesunde Hunde zu züchten, Hunde also, die nicht hinken, die sehen und hören können und sich des Lebens freuen, ist ein großes Ziel, und das ist anzustreben. Natürlich hätten wir alle am liebsten genetisch gesunde Hunde. Aber Friede auf Erden hätten wir auch gern, nur überfordern wir mit solchen Zielen offensichtlich die realistischen Möglichkeiten. Ich halte es für völlig unsinnig, sich Ziele zu stecken, von denen man schon während der Formulierung weiß, dass sie nicht zu erfüllen sind. Lassen Sie uns also keinen Hirngespinsten nacheifern, sondern solide bleiben und das heißt: phänotypisch gesunde Hunde züchten. Bei der Defektbekämpfung wird es zukünftig notwendig sein, für die Rassen Prioritätenlisten aufzustellen. Dabei stellt sich natürlich für die betreuenden Zuchtvereine die Frage, welches das Auswahlkriterium für eine solche Prioritätenliste sei. Nach meiner Meinung muss der Leidensdruck des Hundes der entscheidende Punkt sein. Wir werden lernen müssen, noch sensibler und differenzierter zu reagieren. Es macht eben einen entscheidenden Unterschied, ob einem Hund das Knie weh tut oder ob er nach Luft ringen muss, denn letzteres ist mit Lebensangst verknüpft, und es macht auch einen Unterschied, ob er trübe Linsen hat oder ob er einem unaufhörlichen Hautjucken ausgesetzt ist. Natürlich sollte er am besten gar kein Handicap haben, doch das ist Wunschdenken. Auch in der Defektbekämpfung ist also Augenmaß gefordert, denn es bringt nichts, den Teufel mit dem Belzebub austreiben zu wollen, was in unserer Situation bedeuten würde, gleichzeitig gegen eine ganze Anzahl von Defekten zu selektieren und dabei die gesamte Zuchtbasis zu verlieren. Es ist auf jeden Fall sinnvoller, mit einer wirkungsvollen Zuchtstrategie gegen wenige Defekte anzugehen, als halbherzig und nur scheinbar vieles zu bekämpfen.
Einen guten Leitfaden zur Minimierung erblicher Erkrankungen wird die neue Zuchtordnung des VDH mit dem sogenannten Phasenmodell enthalten. Dieses verpflichtet alle Rassezuchtvereine,
sich mit den erblichen Erkrankungen in ihren Rassen auseinanderzusetzen und zwar unter wissenschaftlicher Begleitung, also mit kompetenter Hilfe. Dieses Phasenmodell unterscheidet drei Phasen in der züchterischen Defektbekämpfung. In einer ersten Phase wird ein Defekt erkannt und es wird eine Datenerhebung veranlasst, also festgestellt, wie häufig der Defekt auftritt, ob er geschlechtsspezifisch ist, in welchen Altersgruppen er zu erwarten ist usw. In einer zweiten Phase werden dann die erhobenen Daten unter wissenschaftlicher Begleitung ausgewertet und gegebenenfalls wird ein Zuchtprogramm etabliert. Nach einem angemessenen Zeitraum muss dann in einer dritten Phase die Wirkung der Zuchtmaßnahme bewertet werden. Je nach Bewertungsergebnis sind drei Entscheidungen denkbar: Eine Entscheidung könnte sein, weiter zu selektieren, weil sich zwar ein Erfolg eingestellt hat, das Ergebnis aber noch unbefriedigend ist. Weiterhin könnte entschieden werden, die Selektion einzustellen, weil sich die Maßnahme hervorragend bewährt hat und das Ausmaß des Defektes in der Rasse zu vernachlässigen ist, so dass man ab jetzt mit Stichproben auskommt, denn beobachtet muss die Situation natürlich werden. Und schließlich könnte es darauf hinauslaufen, das ganze Zuchtprogramm zu ändern, weil es keinerlei Erfolg brachte. Ich denke, das ist ein sehr klarer und gangbarer Weg, der den Rassezuchtvereinen zwar einige Anstrengungen abverlangt, aber solche Anstrengungen sind ja die fundamentale Aufgabe der rassebetreuenden Vereine. Zwei weitere Hilfsmittel sind noch zu benennen, die bei sinnvollem Einsatz aus der zeitgemäßen Hundezucht kaum wegzudenken sind, nämlich die Zuchtwertschätzung und der DNA-Test. Es steht außer Zweifel, dass die Zuchtwertschätzung ein hervorragendes Hilfsmittel ist, um näher an den Genotyp eines Zuchttieres heranzukommen, um also möglichst viel über seine voraussichtliche Vererbung aussagen zu können. Aus der Nutztierzucht ist die Zuchtwertschätzung nicht mehr wegzudenken. Wenn es sie nicht gäbe, wären Butter, Eier und Fleisch wahrscheinlich unbezahlbar. Allerdings resultiert die große Bedeutung der Zuchtwertschätzung in der Nutztierzucht in ihrer Zuverlässigkeit, die dadurch erreicht wird, dass für die Datenerhebung 100 % der Nachkommen zur Verfügung stehen. Und hier besteht der entscheidende Unterschied zur Hundezucht. Wenn nämlich Zuchtvereine glauben, dass sie eine hervorragende Zuchtstrategie verfolgen, wenn sie z.B. die Daten von 20–25% der geborenen Welpen als Information weitergeben, dann ist das Schätzergebnis ungenau und die Maßnahme zweifelhaft. Und wenn es darüber hinaus noch Züchter gibt, die vor lauter Wissenschaftsgläubigkeit die Zuchtpartner ihrer Tiere nur nach Zuchtwerten aussuchen und die eigentlichen Hunde gar nicht mehr kennen, dann ist diese Maßnahme schlicht als kontraindiziert zu bezeichnen. Mit anderen Worten, wenn die Zuchtwertschätzung in der Hundezucht wirklich Sinn machen soll, dann muss die Anstrengung der Zuchtvereine darin bestehen, Mittel und Wege zu finden, um die Informationsdichte zu erhöhen. Nicht die Zuchtwertschätzung an sich ist züchterisch sinnvoll, sondern allein ihre Zuverlässigkeit. Als zweites wichtiges Hilfsmittel in der Rassehundezucht hatte ich den Gentest benannt. DNA-Tests gibt es momentan nur für monogene Defekte, also für Defekte, die in nur einem Gen kodiert sind. Und das wird wahrscheinlich auch noch eine Weile so bleiben. Aber die vorhandenen Testmöglichkeiten bedeuten für die Hundezucht bereits einen großen Fortschritt, und man kann davon ausgehen, dass ihre Anzahl laufend zunehmen wird. Allerdings müssen sich manche Zuchtvereine offenbar erst an den Umgang mit solchen Testverfahren gewöhnen. So sollte es z.B. eine Selbstverständlichkeit sein, dass vorhandene Tests für rassebelastende Defekte auch verpflichtend als Zuchtvoraussetzungen angewandt werden, denn ihr Vorteil gegenüber allen bisher verfügbaren Selektionsmethoden liegt auf der Hand: Hunde können vor ihrem Zuchteinsatz ausgetestet werden, und somit ist es erstmals möglich, die Merkmalsträger aus der Zucht herauszuhalten und die Anlageträger zu erkennen. Der weitere große Vorteil besteht darin, dass bei einer vernünftigen Zuchtlenkung die Zuchtbasis nicht eingeschränkt wird, denn Anlageträger können natürlich in der Zucht eingesetzt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt gehört zur zeitgemäßen Hundezucht, nämlich Prophylaxe zu betreiben. Eine moderne Hundezucht kann sich nicht in der Bekämpfung von Defekten erschöpfen. Sie sollte alle verfügbaren Mittel anwenden, um es erst gar nicht zu Defekten kommen zu lassen. Jedermann weiß, dass man bei einer dauerhaften Inzucht dem Auftreten von Defekten Tür und Tor öffnet. Es ist also eine wichtige Zuchtmaßnahme, einer Rasse eine möglichst breite Zuchtbasis zu erhalten. Und dazu gibt es ein einfaches Mittel, nämlich das Deckgeschehen nicht nur einer kleinen Gruppe von Rüden zu überlassen, sondern eine Begrenzung der Deckakte einzuführen. Die immer wieder vorgetragene Idee, dass es in der Hundezucht die ganz großen Vererber gäbe, die durch eine Deckbeschränkung nicht genügend genutzt würden, ist so nicht haltbar. Besonders gute Vererber sind bei Nutztieren zu erwarten, weil es in deren Zucht in der Regel um nur ein einziges Leistungsmerkmal geht. Das ist in der Hundezucht völlig anders, nämlich viel komplizierter, denn hier haben wir es gleichzeitig mit einer Vielzahl erwünschter Merkmale zutun. Aber selbst wenn es diesen großartigen Vererber gäbe, dann hätte er immer noch Brüder und Söhne, die in die Zucht eingebracht werden könnten. Zusammenfassend kann man sagen, dass Hundezucht eine verantwortungsvolle Aufgabe ist, die nicht durch Emotionen, sondern vor allem durch sachbezogenes Wissen bestimmt sein sollte. Wir haben heute früheren Situationen gegenüber den Vorteil, mehr wissenschaftlich gesicherte Methoden für Zuchtmaßnahmen zur Verfügung zu haben. Allerdings sollte dieser Vorzug nicht dazu führen, vor lauter Angst, etwas falsch zu machen und etwas zu versäumen, die naive Freude am Zusammenleben mit Hunden zu verlieren. Ernsthaftigkeit darf nicht in Verbissenheit ausarten, denn wenn wir das zulassen, verlieren wir auch die wohltuende Bereicherung, die uns unser Partner Hund gibt. Und dann erübrigt es sich im Grunde auch, Hunde zu züchten.
© Dr. Helga Eichelberg
(Original in: http://www.eurasierzuechter.de/eurasier/gedanken-zur-hundezucht.html)

Ergänzung:

“We were not satisfied with good represantatives of the breed, we wanted  the best. (…) but the closer we come to our goal the less effective  selection will be (…). J. Gubbels in Genetic management of dog breed populations (2002)